"Gardening leave" in der Formel 1: Wie sieht die Zukunft aus?
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Mehrere Formel-1-Teams könnten die Qualitäten von Mattia Binotto gut gebrauchen, aber der scheidende Ferrari-Teamchef muss sich angeblich an vertraglichen Vereinbarungen über die "Gardening Leave" oder Freistellung halten. Was genau bedeutet dieser Begriff? Und wie sieht die Zukunft aus?
Der Begriff stammt aus der Geschäftswelt und macht Arbeitnehmern klar, dass sie nach ihrem Ausscheiden aus dem Unternehmen für einige Zeit keine andere Stelle erhalten werden. Mittlerweile ist er auch in der Formel 1 bekannt. Die Verbände wollen damit sicherstellen, dass das technische Personal und damit auch die Teamchefs ihr Wissen an die Konkurrenz weitergeben. Das geht oft über einen Zeitraum von bis zu einem Jahr, und im Gegenzug zahlen die Teams eine Zeit lang das Gehalt.
Diese Frist scheint nun auch für Binotto zu gelten, was bedeutet, dass der Italiener 2023 definitiv nicht mehr in der Formel 1 sein wird. Im nächsten Kalenderjahr, wenn sein Wissen über die Zukunftspläne seines ehemaligen Teams teilweise veraltet ist, wird er dann die Möglichkeit haben, wieder einen neuen Arbeitgeber zu finden. Daher wird er bequem von seinem Sessel aus beobachten, wie sich Ferrari in dieser Saison schlagen wird.
Dass Teams aber auch andere Optionen haben, haben Sauber und McLaren letzten Monat bewiesen. Zak Brown verkündete im Namen der britischen Formation, dass er den Wechsel von Andreas Seidl zu Sauber favorisiert und ihn deshalb nicht in der Freistellung behalten will. Eine ähnliche Entscheidung traf Sauber für Frederic Vasseur und gab ihm die Möglichkeit, seinen Traum zu verfolgen und Teamchef bei Ferrari zu werden.
Warum entscheiden sich Teams und Mitarbeiter dafür?
Die Beweggründe der Teams sind leicht zu verstehen. Während sich die Fahrer/innen vor allem auf das Kurzfristige konzentrieren, indem sie an den Rennwochenenden so gut wie möglich abschneiden, hat der Rest des Teams oft einen längerfristigen Fokus. Daher wissen die Teamchefs und das technische Personal genau, in welche Richtung sich der Rennstall entwickelt. Gäbe es also keinen "Gardening Leave", könnte die Konkurrenz das Wissen noch leichter "wegkaufen".
Am anderen Ende des Spektrums ist die Situation anders. Wenn man sich zum Beispiel das aktuelle Kräfteverhältnis anschaut, ist es logisch, dass die Mitarbeiter von Williams oder Haas F1 gerne zu Red Bull Racing oder Ferrari wechseln würden. Doch die "Gardening Leave" Freistellung hindert sie daran, direkt zu wechseln und damit möglicherweise ihren Traumjob zu verpassen.
Das Konzept hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten in der Formel 1 so fest etabliert, dass es oft keine andere Möglichkeit gibt, als den Vertrag zu unterschreiben und den Bedingungen zuzustimmen. Sollten Arbeitnehmer/innen dennoch direkt wechseln wollen, brauchen sie das Glück, dass ihnen, wie bei McLaren mit Seidl geschehen, die Möglichkeit gewährt wird. Das passiert allerdings nicht oft.
Wie sieht die Zukunft aus?
Es ist keineswegs wahrscheinlich, dass die "Gardening Leave" in den nächsten Jahren aus der Formel 1 verschwinden wird. Mit dem neuen Reglement, das die Teams enger zusammenrücken lässt, sind Details wichtiger als je zuvor. Wissen ist einfach Macht und deshalb werden die Teams nicht zustimmen, die Regeln zu ändern. Ausscheidende Mitarbeiter/innen profitieren auch finanziell.
Allerdings kann die Dauer der Freistellung durchaus angepasst werden. Im Laufe der Jahre wurde die maximale Länge mehrmals geändert. Vor mehr als 20 Jahren war es zum Beispiel nicht erlaubt, einen Ingenieur länger als sechs Monate zu behalten, während Renault vor ein paar Jahren umstritten war, weil Mercedes oft eine zweijährige Laufzeit in den Vertrag des Personals schrieb.
In diesen Zeiten, in denen es in der Formel 1 viele Veränderungen gibt, ist es ganz passend, dass diese Frist erneut geprüft wird. Für die Teams wäre eine Verlängerung der Laufzeit wünschenswert, damit sie sich noch mehr auf die Langfristigkeit des Sports konzentrieren können. Und das ist entscheidend, denn die Unterschiede zwischen den Autos werden immer geringer und dieser Trend scheint sich fortzusetzen. Ein endgültiges Ende der "Gardening Leave" ist daher vorerst ausgeschlossen.